Fleischgewordenes Selbst.

Viele Menschen leben, handeln, entscheiden, sprechen… mit angespanntem, sogar mit blockiertem Zwerchfell. Was soll daraus werden?

Der Atem muss bei solcher Fehlhaltung nach oben in die Brust ausweichen, ist dadurch flach und schwach, hat wenig Substanz.
Nun ist das Zwerchfell ein wesentliches Organ in unserer LeibKörper-Mitte. Sie ist tatsächlich verbunden, das lehrten die langjährigen Erfahrungen, mit der seelischgeistigen Mitte. Dieses komplexe Zentrum bleibt u.a. durch das Zwerchfell lebendig und kraftvoll. Es sollte elastisch sein und für uns atmen, frei und unabhängig, und wir sollten im Dialog mit ihm sein. Dann kann ein Einheitserlebnis, Ereignis werden. Und das verändert in wunderbarer Weise, oft durch plötzliche Einsicht, so manches innere Fehlverhalten. Aufgrund dieser Beobachtungen, persönlich  und beruflich, bezeichne ich das Zwerchfell überzeugt, als das fleischgewordene Selbst. Es initiiert, stärkt auch den Mut, Eingesehenes zu verkörpern um es in der Außenwelt zum Ausdruck zu bringen, wenn es der Persönlichkeitsentfaltung dient,

Urstoff

Wenn aber das Zwerchfell gestört wird, das zu tun wofür es da ist, nämlich für uns den Atem zu holen und wieder zu entlassen in stimmigem Maß, ist das ein Zeichen, nicht wirklich mit der eigenen Mitte verbunden zu sein.
Der Atem zeigt sich dann meistens kontrolliert, diszipliniert, domestiniert, statt befreit. Auch die Stimme sitzt dann fest und möchte sich doch so gerne bewegen, vom Schädel bis in die Fußsohlen, in die Fingerspitzen, in die Wirbel der Wirbelsäule und der LeibKörper will sie aufnehmen und wird zum großen Resonanzraum.  Ja, die Stimme sehnt sich wie ein Pferd nach freier Wildbahn.Sie will ohne Sattel und Zügel sein, ohne Sporen und Peitsche, will auch ungestalteter Urstoff sein, rau, hässlich, knurrend, knödelnd, gurgelnd, bei geschlossenem und geöffneten Mund. Immer von oben weg nach unten, von außen weg nach innen, weg vom Behalten und Ansichhalten, hin zum zum Hergeben.

Laß die Laute aus dem tiefen Mund im Schlundraum kommen, krächzend, stöhnend, knarrend, ebenso im Brustraum und Bauchraum, immer als spielerisches Geschehenlassen. Bloß nie dabei im Spiegel die Kontrolle üben. Geräusche entstehen in deinem Staunen, ergeben sich von selbst, steigen auf, werden frei, viele hast du noch nie gehört. Ehre das Fremde in deiner Stimme, es darf sein.
Immer wieder muss es gesagt werden, das Auf- und Absteigen des Zwerchfell sollte in völliger Freiheit geschehen, ohne dein Dazutun. Greife da nicht ein. Der Zwerchfellbereich, der Raum unterhalb deines Nabels, ist der Raum des Unbewussten
Lasse dein zwerchfell geschehen, dann ergibt sich der befreiende, schöpferische Zwerchfell-Atem. Er trägt dich und deine Stimme, durchlüftet die  LeibKörper-Innenräume und die Organe bis in die Gelenke, bis ins Skelett hinein. Du spürst wie deine Stimme das innere Knochengerüst zum Vibrieren bringt.
Was für eine Feinmassage!
Erfahre alles sinnlich bis es übergeht in übersinnliche Bereiche. Der Atem wird sich mit Odem füllen. So heißt es in geheimen Überlieferungen und das spürst du. Im antiken griechischen Theater wurde gelehrt, das der Sitz der Seele das Zwerchfell ist und das die Stimme von ihm  geboren wird. Erlebe das alles, auch in der Bewegung als eine vegetative Meditation. 

Abspannen

Tiefensensibilität.
Eine Empfehlung für deine Zwerchfelltätigkeit. Sie ist dir sicher bekannt und sollte oft geübt werden. Lege im entspannten Zustand deine Hände auf die Muskulatur deines Unterbauches. Unterhalb des Nabels. Ist  deine Bauchmuskulatur dort so elastisch, dass sie dem Atemrhythmus nachgibt? Spüre, dass der Einatem eine leichte Dehnung unter deinen Händen erzeugt und der Ausatem diese Dehnung wieder vorsichtig löst. Oder spürst du, dass die Atembewegung in dieser  Muskulatur unterhalb deines Nabels, fest und unbeweglich ist? Dann wirke niemals willentlich auf sie ein, du sollst dort nichts machen. Dein Wollen und Machen hat in diesem Bereich nichts zu suchen, sie würden eine Fehhaltung verfestigen. Übe stattdessen Laute die das Zwerchfell spielerisch aktivieren. Z. B. durch kräftiges Abgeben von Verschlusslauten. Das nennt sich Abspannen.
Diese Übung schult den reflektorischen Atem, stärkt das Zwerchfell und die Stimme. Erlebe, dass durch kräftiges, entschiedenes Abgeben der Einatem sofort von selbst zurückkommt. Rasch, mühelos und lautlos. Beim Abgeben dieser Laute fällt unmittelbat darauf die Atemluft von selbst ein. Gib etwa dreißig Mal rasch hintereinander jeden Konsonanten ab. Das gute, gründliche Abgeben der Laute ist entscheidend. Bei den meisten Menschen bleiben die Endlaute an den Zähnen hängen. Dann kommen sie nicht über die Rampe.
Probiere:

t-t-t-t-t / p-p-p-p-p / k-k-k-k-k / ss-ss-ss-ss-ss …

Auch hier berühren Deine Hände wieder die Unterbauchmuskulatur, unter deinem Nabel. Spürst du die reflektorische Atembewegung? Zuerst vielleicht in der Bauchmuskulatur. Dann sollte es allmählich von selbst gelingen, dass diese Bewegungen  auch in der Unterbauchmuskulatur zugelassen (nie gemacht!) werden. Integriere nun die Verschlusslaute in Wörter. So kommst du ins atemrhythmische Sprechen:

gut – gut – gut / hopp – hopp – hopp / zack – zack – zack / Bass – Bass – Bass.

Die das Zwerchfell aktivierenden Laute stehen jetzt am Ende eines Wortes. Behandle diese Endlaute so intensiv wie zu Beginn. Gib sie kräftig ab. Kräftig kommt dann von selbst, immer wieder von selbst, und nur das ist stimmig, der Einatem zurück. Hole ihn  nie, schnappe nie nach ihm. Übergebe dich dem fleischgewordenen Selbst. Es sorgt für deine Atemluft. Nicht du.
Sein Wille geschehe! In ihm wirkt das Sein.
Vertraue dem Zwerchfell, überlasse dich ihm, dann geht dir nie die Puste aus, und nie wieder muss die Stimme um ihre Kraft und Wirkung bangen. Wiederhole diese Übungen  täglich, auch stündlich, wenn es die Situation erfordert. Dein Zwerchfell bleibt jung und elastisch und deine Wahrnehmung zum Mitte-Atem hin, steigert deine Präsenz und Resilienz.

Wolfgang Keuter im Sprechtraining. Es steht auf schwarzer Bühne, hält einen Text in der Hand und lacht.Innerer  Mensch

Das Zwerchfell will frei sein, der Atem autonom und die Stimme will sich bewegen dürfen. Tue es ihm nach, bewege dich, deine Gelenke umspielend. Gib den Ernst auf beim Üben, lächle, erlebe deine  Leidenschaft. Du überwindest die gepresste, gehetzte, angespannte Über-Ich-Stimme. Das ist eine gequälte Stimme. Sie kommt aus unterdrücktem seelischgeistigen und leibkörperlichen Organismus. Geschunden durch zu viel Anstrengung, zu viel Müssen und Machen wollen, zuviel leisten wollen, konventioneller Anpassung zuliebe. Weil auch das Wissen und das Objektive zu wichtig geworfen sind und weil das Einhalten mancher Konventionen nicht mehr stimmt. Was nicht stimmt geht auf die Stimmung. Sie verdunkelt sich auch durch zu viel Denken und erst recht durch das Grübeln. Das Wort Grübeln ist verwandt mit Grube und Grab. Immerhin ein bemerkenswürdiges Bonmot!

Atem

Wenn der eigene Klang stimmig ist, er muss nicht schön sein und wenn er in die so unstimmige und aufgewühlte Welt strömt, kann das beruhigend zurüclwirken, tröstend, inneren Frieden geben. Die Gesetzmäßigkeit der Ausdrucks-Rückwirkung gerantiert das. Auf diesem Feld habe ich lange Zeit geforscht.
Empfehlung:

Fülle deinen Stimmklang mit  dem Gefühl Frieden. Du wirst bald erfült sein von diesem Gefühl. Das kann auch zur Stärkung der Friedensenergie in der Welt beitragen. Versuche es auch mit anderen Befindlichkeiten, z. B: Glück, Hoffnung usw.
Das Thema Atem und Stimme, Eindruck und Ausdruck, Zwerchfell und LeibKörper-Mitte, liegen mir seit Jahrzehnten im Herzen. Immerhin ist das Zwerchfell als bestimmendes Organ, unserer größter Atemmuskel. Es sollte in jedem Moment frei sein. Die Atmung wird mittig, die Stimme stimmig und deine Stimmung lebt auf. Damit das gelingt, solltest du immer vor dem Sprechen oder Singen ausatmen.

Die Aufforderung hol erstmal tief Luft ist unbewusst, unsinnig, geusndheitsgefährdend! Sie richtet sich nämlich wieder an das machen und wollende Ich, und festigt es. Genau das sollte ja vermeiden werden.
Kommenlassen, statt Atem holen. Das Ich sollte sich entwichtigen dürfen und vertrauensvoll abwarten, bis das Gemeinte vom Selbst  zurückkommt. Sonst entsteht Überdruck an Luft und du fühlst dich aufgebläht und so wirkst du dann auch auf dein Gegüber. Oft ist es mit dem Erleben verbunden zu wenig Luft zu haben. Das Gegenteil ist aber der Fall. Überdruck ist quälend und bringt eine Stimme hervor die glanzlos ist, stumpf, flach, unsympathisch. Immer wenn du statt des Zwerchfells den Atem holst, kommt  zu wenig oder zu viel, kaum das stimme Maß an Atemluft.

Übe das Abgeben des Ausatems, bevor du mit dem Sprechen oder Singen beginnst. Dann nämlich kommt der Einatem vom Selbst zurück. O. K. Ich wiederhole mich!
Der von selbst zurückommnde Atem, rasch, mühelos und geräuschlos, trägt dich und deine Stimme, schenkt das Erlebnis mit dir Selbst und der Sphäre des großen Spiels eins zu sein. Eine vergessene, schöpferische Lebenshaltung ist darin enthalten.

Der Einatem ist ein Geschenk des guten Ausatems, sagt Graf Dürckheim. 

Mit diesen Worten schließe ich den Blog. Ich freue mich auf deine Rückmeldungen.
Bis zum nächsten Mal.
Wolfgang.