Woher es kommt
Das Geführte Zeichnen hat sich aus der von M. Hippius 1932 tiefenpsychologisch fundierten Dissertation Der grafische Ausdruck von Gefühlen immer weiter entwickelt. Von ihr selbst, von den Studenten, also auch von mir, die von ihr ausgebildet wurden. Heute wird das Geführte Zeichnen international in therapeutischen Praxen und künstlerischen Ateliers angeboten.
Ich habe die komplexe Methode Graphotherapie in langjähriger Selbsterfahrung bei Maria Hippius kennengelernt, parallel dazu Graphologie studiert, und mit der Archetypenlehre nach Neumann / Jung verknüpft.
Das Geführte Zeichnen öffnete mir damals den Weg zu neuem Leben. Diese Formulierung ist nicht übertrieben, sie kommt aus tiefer Erfahrung. Jetzt, wo das alte Jahr zu Ende geht, ein neues Jahr beginnt und mein biographischer Geburtstag sich nähert, möchte ich davon erzählen:
Nach einer Phase künstlerischen Stillstandes vor einigen Jahren, ohne Inspiration durch mein schöpferisches Unbewusstes, kam ich während des kontemplativen Zeichnens mit universalen Gebärden endlich wieder in Kontakt mit der gestaltenden seelischen Kraft. Im graphischen Ausdruck, Schritt für Schritt, lernte ich auf dem Zeichenblatt wieder zu gehen, mich zu bewegen, fand neue Gebärden und Handlungen, lernte plötzlich anders zu atmen und zu sprechen, mich neu auszudrücken und endlich wieder mich frei zu spielen. Das kontemplative Zeichnen ist schau-spielerisches Handeln und Probehandeln auf einem Zeichenblatt. Es ist symbolischer Spiel- und Lebensraum in dem schöpferischer Auftrieb aktiviert werden kann.
Jede Bewegung, jedes Zögern, jegliches auf und ab, jede Rundung, Geradlinigkeit, jeder Richtungswechsel, jede Einrollung oder Entwickelung bewirkt innere Auflösung, Neuwerdung, Sammlung und Selbsterkenntnis. Entlarvt wurden Widerstand und Selbstbetrug, erkannt werden auch die darunter liegenden Fortschritte und Wandlungsvorgänge.
Spiegelschrift des Insgeheimen.
Im Medium Geführtes Zeichnen erscheint die antwortende Seele. In schau-spielerischem Umgang mit ihrer Chiffreschrift wird sie ablesbar. Was für eine Überraschung! Was für eine Chance!
Nachtmeer-Fahrt
Wieder gibt eine Zeichnung Aufschwung zu neuem Anfang. Wieder nach einer Zeit orientierungslosen Treibens: endlich wieder Boden unter den Füßen. Diese Zeichnung geht meiner Wahrnehmung voraus. Noch ahne ich nichts von dieser Entwicklung in mir, an Land zu kommen um endlich wieder Boden unter den Füßen zu haben. Ersehnt ist sie schon lange. Und nun, beim Öffnen der Augen, objektiv auf dem Zeichenblatt erkennbar, sehe ich das es nun ein Ende hat mit meiner langen Nachtmeer-Fahrt.
Plötzlich ist diese Gewissheit da, ohne Wenn und Aber, deutlich spürbar in meiner veränderten Stimmung, in meinem Gemüt. Es kommt an Land! Ich komme an Land! Nun können neue Schritte gesetzt werden. Unzählige Male hat mich das Geführte Zeichnen über-zeugt. Durch unzählige Zeichenprozesse wird mir langsam die Architektur meiner Seele ahnend bewusst, ich könnte auch sagen: die Gebrauchsanweisung für den Umgang mit mir Selbst.
Beim Geführten Zeichnen geschieht, durch schöpferische Kräfte in uns die älter und weiser sind als wir je sein können, Selbsterkenntnis und Selbstgestaltung. Das sind seelisch-geistige Kräfte. Sie helfen uns, in ihrer eigenen Sprache, auf dem Zeichenblatt Einblick zu bekommen in unser individuelles Werden. Ihre anschließende Umsetzung in Körpersprache, im ritualisierten Schau-Spiel, gibt zusätzliche Klärung.
Von der Wurzel her Kraft und Mut erschließen
Der Kopf hat keinen Zugang zu diesen Vorgängen und Bereichen. Darum ist das Geführte Zeichnen intellektuell kaum zu begreifen. Die wirklich wesensgemäßen Erkenntnisse entstehen im Dialog mit dem inneren antwortenden Seelengrund während des Geführten Zeichnens. Es erscheint oft in der Art und Weise eines Aha-Erlebens oder intuitiven bildnerischen Einsehens. Ohne diesen Dialog kann persönliche und künstlerische Entwicklung kaum gelingen. Er will geübt werden. Das Geführte Zeichnen bietet, da es objektiviert, dafür beste Voraussetzung. Gelingt die kontemplative, ja kultische Haltung und Konzentration, sie ist Grundlage, beginnt die Führung durch die, deutlich zeichen-gebende, Seele.
Das Geführte Zeichnen schöpft seinen Namen daraus.
Die grafischen Gebilde die beim Geführten Zeichnen entstehen enthalten profunde Botschaften für den Zeichnenden. Bisher Unanschauliches wird anschaulich. Seine Entschlüsselung geschieht nun durch kontemplative Anschauung und Wahrnehmung, nicht durch denken, analysieren, grübeln.
Werden universalen Schöpfungsgebärden regelmäßig geübt, als Zeichengebärden und als Hand- und Leibgebärden, aktivieren sie die Schöpfungsgebärden in unserem eigenen Inneren. Sie erschließen dabei -gleichsam von der Wurzel her – auch die Kraft und den Mut den eigenen Weg auch konsequent zu begehen. Wie bei allen stimmlichen und leibkörperlichen Ausdrucksübungen von Slow Acting tritt auch beim Geführten Zeichnen das Phänomen der Ausdrucks-Rückwirkung in Kraft. Davon wird an anderer Stelle, in einem anderen Aufsatz, noch die Rede sein.
Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.
Paul Klee
Das Geführte Zeichnen bezeugt seine Relevanz
- beim übenden Wiederholen archetypischer Urformen, z. B: Kreis, Halbkreis, Spirale, Kreuz, Lemniskate, Arkade, Senkrechte, Quadrat, Rechteck…
- durch graphischen Ausdruck seelischer und körperlicher Gestimmt- und Bewegtheiten.
- als Graphotherapie, wobei die für eine bestimmte Seelenlage ausgewählten graphischen Gebärde, auch in Verbindung mit Hand- und Leibgebärden, über einen Zeitraum von Wochen, auch Monaten eingeübt werden
- im freien Spiel der Kräfte, wobei sich die universalen graphischen Gebärden vereinigen mit dem grafischen Ausdruck momentaner Gefühle des Zeichners
WIE es geht und WIE es wirkt, Versuch einer Zusammenfassung
Zu Beginn werden die universalen Schöpfungsgebärden mit geschlossenen Augen, ein- oder zweihändig auf dem Zeichenblatt zigfach wiederholt bis es zur vertiefenden Eigenläufigkeit des Geschehens kommt. M. Hippius nennt diese Gebärden auch Urformeln des Seins. Die hier gezeigte Zeichnung hat sich aus zigfacher Wiederholung des Halbkreises gebildet.
Durch die sich automatisierende Wiederholung von reinen, absoluten Gebärden, werden die im eigenen Inneren sich befindenden absoluten und reinen Gebärden tangiert und zu ihrer Wirkung angeregt. Sie befinden sich im archetypischen Raum der Unversehrtheit. Er ist in jedem von uns vorhanden. Mit Dürckheim empfehle ich aus der heilenden Kraft der reinen Gebärden zu LEBEN da sie in der Lage sind seelische und körperliche Fehlhaltungen aufzulösen.
Die inneren Vorgänge, Rückschritte und Fortschritte, Wandlungsvorgänge und was sie verhindert, auch die von innen kommenden Korrekturen und Anweisungen hinterlassen Spuren auf dem Zeichenblatt. Sie werden intuitiv, mit Hilfe bildnerischer Assoziationen gedeutet.
- Zeichnungen, wenn sie zu abstrakt bleiben und ihr Inhalt persönlich nicht erspürt werden kann werden mit geöffneten Augen farblich ausgestaltet. So wird die Zeichnung zum Bild. Das macht es dem Zeichner möglich über seine Zeichnung im Bilde zu sein
- Die gefühlten oder wissend-geahnten Inhalte und Botschaften der Zeichnungen werden auch in Wortgestaltungen gefasst, durch das Nadelöhr der Ratio gefädelt, M. Hippius, verdichtet und dazu geschrieben
Wirklichkeit ist was wahrnehmbar wirkt
Ich fand nie Zugang zu einem Wissen, das in mir keine wahrnehmbare Wirkung erzeugt. Kopfwissen erreicht mich nicht. Wissen muss für mich vor allem körperlich-sinnlich wahrnehmbar sein. Es muss mich in meinem Körper ansprechen. Dann versuche ich heraus zu finden in welchem Bereich meines Körpers ich erspüren kann und WIE ich es dort wahrnehme. Auch das WIE ist entscheidend. Darin erspüre ich die Qualität des Aufgenommenen und seine Bekömmlichkeit für meine momentane Lebenssituation. Dann wird Wissen zur erfahrenen Wirklichkeit. Das Geführte Zeichnen ist Kunst und Erfahrungs-Wissenschaft. Die Bezeichnung Erfahrung ist etymologisch verwandt mit: Spur und Weg!
Die eigene Erfahrung ist stets das Spürorgan um die eigene, individuelle Realität, ohne Wenn und Aber, zu erkennen.
Das Geführte Zeichnen ist auch Meditation als Wandlungsübung
Seit über vierzig Jahren ist das Geführte Zeichnen mein Medium par excellance. Fast eben so lange gebe ich es weiter. Inzwischen wird es in vielen Praxen und Kunstateliers geübt, Ergebnisse sind in einigen Ausstellungen gezeigt worden. Das geführte Zeichnen ist meditativ, hat kultischen Charakter, ist künstlerisch und tiefenpsychologisch bedeutsam. Vor allem für Menschen die sich mit Hilfe künstlerischer Ausübung auf die innere Spur kommen möchten finden ein aus-gezeichnetes Medium. Die eigene, immer erkennbarer werdende Wegspur zeichnet sich aus: schwarz auf weiß und führt auf den eigenen Weg, den Individuationsweg.
Wer sich dem Geführten Zeichnen regelmässig hingibt, öffnet sich der Chance, sein Schicksal zu erkennen und da wo es not-wendig ist, ihm wandelnd und gestaltend zu begegnen. Denn geheime Wirk- und Werdekräfte, sie sind in jedem von uns, bekommen die Möglichkeit in anschaulicher Weise mit uns einen schöpferischen Dialog zu führen. Sind wir dafür offen und bereit haben sie eins zum Ziel: unser individuelles Werden.
Die Möglichkeit sich der geheimen Wirk- und Werdekräfte durch künstlerisches Tun bewusst zu werden wird in der jetzigen Zeit immer mehr verdrängt. Auch darum liegt es mir am Herzen, vielen Menschen die Möglichkeit zu vermitteln durch künstlerisches Tun sich ihres Individuationsweges bewusst zu werden. Das Geführte Zeichnen ist dazu ein aus-gezeichneter Weg denn die graphischen Gebilde die sich ergeben sind beredte Zeugen eines weisheitsvollen Schöpfungsplanes der jedem von uns mit gegeben und aufgegeben ist.
Geführtes Zeichen praktisch üben
Ich biete das Geführte Zeichen in Einzelstunden an. Weitere Infos hierzu finden Sie auf meiner Webseite.
Wenn Sie lieber in der Gruppe üben möchten, informieren Sie sich bitte über die Zeichenwerkstatt des TheaterLabor TraumGesicht e.V. Für weitere Informationen klicken Sie bitte hier.
WER das Geführte Zeichnen professionell einsetzen möchte, hat die Möglichkeit zur Supervision in Einzelstunden bei mir.
Sehr informativer und ansprechender Artikel! Obwohl mir diese „Technik“ nicht fremd ist, enthielt er doch einiges Neues für mich und macht mir Lust wieder einzusteigen.
Danke sagt Christa
Christa