Grundgebärde Sitzen in der Stille im Stile des Zen

Eine Überraschung:

Im Spiegel am 3.12.2016 entdeckte ich ein Interview mit Nico Rosberg, Formel 1 Weltmeister:

Leiden ist mein Antriebum besser zu werden.

Auf die Frage: Wie wurde innerhalb eines Jahres aus dem Verlierer Rosberg ein Gewinner, antwortete er, dass er meditiert. Sein Traum war es einen Zen-Meister zu treffen. Denn es geht doch darum, das Leiden zu reduzieren. Deswegen arbeiten wir an uns. Es ist ultimativ wichtig, unser Leiden zu erkennen und es anzunehmen, statt sich dagegen zu sperren… Nico Rosberg bekommt überraschend Antwort von einem Zen-Meister in Kyoto. Rosberg besucht ihn. Das Rennen danach habe ich gewonnen. Ein wichtiger Sieg, danach lag die WM in meiner Hand, erzählt er. Dann beschreibt er, das es bei dem Meister darum ging die Achtsamkeit zu trainieren. Du nimmst dir Momente, in denen du dich entspannst und auf deine Gefühle konzentrierst … Diese Übungen können überall und jederzeit gemacht werden, auch beim GehenDu lernst, Emotionen zu akzeptieren, sogar negative wie Wut oder Angst. Nico Rosberg teilt mit, das er durch Meditation die Weltmeisterschaft errungen hat. Im innen wie im außen, meine ich, das ist ja das Wunderbare an diesem Übungsweg.

Der Buchtitel: Hara. Die Erdmitte des Menschen war seinerzeit eine Provokation. Darin hat Graf Dürckheim schon vor über sechzig Jahren auf die komplexe Bedeutung der Körpermitte und auf die Meditation im Stile des Zen aufmerksam gemacht. Er berichtet in diesem Buch von den Erfahrungen, die er während seines langjährigen Aufenthaltes in Japan im Umgang mit Menschen gemacht hat, die noch in der alten geistigen Tradition ihres Landes lebten. Er beschreibt was er von ihnen, und von Zen-Meistern, in den Übungen im Stile des Zen, gelernt und erfahren hat. Graf Dürckheim begleitete mich, bis kurz vor seinem Tod im Dezember 1988, bis heute auf meinem initiatischen Übungs-Weg. Er war und ist für mich persönlich und für die Weiterentwicklung meiner wegbegleitenden künstlerisch-initiatischen Arbeit, als Coach und Exerzitientrainer, in vielen Bereichen maßgebend.

Dürckheims Botschaft wird gehört. Sie entspricht der tiefen Sehnsucht vieler Menschen nach Selbstfindung durch innere Stille und Transzendenz. Heute üben tausende von Menschen Hara, allein in Deutschland. Seine Geschichte ist weitergegangen.

Mit Hara ist die Leibmitte gemeint. Sie ist nicht nur anatomisch zu verstehen, sie ist die Lebens-Energie im Unterleib. Die östliche Betonung des Bauches ist für westliche Menschen meistens  ungewöhnlich. Doch zeigen auch viele Plastiken und Bilder in der westlichen Kunst eine deutliche Betonung des Unterleibes.

Heute ist die Entwicklung mehr zum Kopf hin ausgerichtet. Ohne Kontakt zum Bauch-Beckenbereich wächst jedoch die Gefahr sich im Oben zu verfestigen und sich einseitig auf die weltlichen und rationalen Werte zu fixieren. Wer in den Sog des Kopfes gerät erlebt  Leib- und Seelenverlust. Dabei werden der eigene innere Wesens-Kern und seine Werte, meistens unbewusst, eliminiert, sogar bekämpft. In meinem, den individuellen Weg begleitenden, Beruf erlebe ich es täglich: in der Entfremdung vom Eigenen und Wesentlichen liegen die häufigsten Ursachen vieler Störungen und Irritationen.

Immer mehr Menschen begeben sich meditierend in ihre Leibmitte. Die Lehre von Hara ist eine Frucht der östlichen und westlichen Weisheit. Sie wird immer mehr, losgelöst vom Buddhismus, in ihrer allgemein menschlichen Bedeutung, auch von Wissenschaftlern anerkannt. Auch sie erkennen, dass es die Weisheit des Bauches gibt. Im physischen Bereich ist der Vagusnerv ihr Vermittler.

Das Sitzen in der Stille ist, wie alle Übungen im Stile des Zen, keine extravagante Praktik. Im Gegenteil! Meditation üben, im Gehen, Stehen und Sitzen, in allem Tun und Nicht-Tun, als aktive oder passive Meditation, ist konkret und bodenständig. Ihre Wirksamkeit ist groß.

Darum geht es hier:

Um die Bedeutung und Wirkungsweise vom Sitzen in der Stille im Stile des Zen, in Hara. Es folgen Anweisungen für Übungsschritte, um mit Hara in dauerhaften Kontakt zu kommen. Ich gebe sie so genau, geduldig und gründlich wie möglich.

Auf diesem meditativen Weg bleiben wir Anfänger, es ist ein zielloser Weg. Nur die Seele kennt das Ziel. Jede Tradition betont die Integration des Zeitlosen mit dem Überzeitlichen. Jeder Meister, jeder Lehrer setzt nach seiner persönlichen Lebens- und Übungserfahrung eigene Schwerpunkte, lehrt auf seine Weise, gibt modifizierte Anleitung und Wegbeschreibung.

Hara ist in leibkörperlicher und seelischgeistiger Hinsicht von Bedeutung. Sie kann nur erfahren nicht erdacht werden. Konkret und nüchtern geht es um die innere Sammlung und Zentrierung im Hara-Bereich durch die Verankerung des Atems zwischen Nabel und Schambein. Erstaunt wirst du bald erleben, dass dort Sitz und Raum eines neuen Bewusst-Seins entsteht. Ein Schüler von mir formulierte diese Erfahrung so:

Wenn ich meditiere spüre ich deutlich, das ein von meinem Bewusstsein unabhängiger Geist in meinem Körper exisitiert. Von ihm erfahre ich was für mein Weiterkommen auf dem inneren Weg förderlich ist.

Hara-Übungen, ich habe sie an dieser Stelle schon im Stehen und Gehen beschrieben, werden, wie die Grundgebärde Sitzen, um die es heute geht, zum Brenn- und Integrationspunkt vital-geistiger Energie in der Leibmitte.

Seine Energie beeinflusst, bald deutlich wahrnehmbar, den gesamten Organismus schöpferisch. Die Gestalt des sitzenden Buddha, von dem Heiterkeit ausgeht, trotz strenger Haltung auch Gemütlichkeit, Wärme, Zentrierung, Fülle und Einheit kann für das Sitzen in Hara leibhaft gefühltes Vorbild sein. Der dicke Bauch symbolisiert den seelisch-geistigen Reichtum, der sich durch meditative Erfahrung bildet. Buddha als Person war sicher kein dicker Mann.

Ihr müsst erkennen, dass der Mittelpunkt des Weltalls eure Bauchhöhle ist.
Harada Roshi

Eine andere Haltung als die des Buddhas zeigt die Plastik Der Denker von Rodin. Er ist besetzt vom Denken, hat sich darin verloren. Seine Gestalt wirkt verbogen, angestrengt und verspannt, ausgesetzt und abgetrennt von sich Selbst. Sein Zentrum sitzt im Kopf, die Stirn ist zerfurcht, das Gesicht zeigt einen gequälten Ausdruck. Ihm ist zu empfehlen, seinen Kopf ins Hara zu bringen. Wir werden es nun auch üben.

Die konkreten Empfehlungen zum Sitzen in der Stille, die ich als extra Blogbeitrag gebe, sind hilfreich gemeint. Hier der Link dazu.

Nun wünsche ich gutes Üben und eine gute Weihnachtszeit.

Wolfgang Keuter