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Aus der Zeichenwerkstatt: Die Aufrechte, die aus der Mitte kommt. Gregor B.

Die Sitzhaltung

Fällt das traditionelle Sitzen auf dem Sitzkissen schwer, kann die Übung auf einem Stuhl, in einem Sessel oder auf einem Meditationsbänkchen … geschehen. Ein nach vorn abgeschrägtes Meditationsbänkchen hat sich als günstig erwiesen. Das Sitzen auf einem Bänkchen entspricht dem Fersensitz. Es wird über die Waden gestellt, so dass du darauf sitzen kannst. Die Sitzknochen befinden sich in der Mitte der Bankfläche. Sie geben  stabilen Halt und Erdung. Die Bankhöhe ist individuell verschieden, weil Beinlänge und Dehnungsfähigkeit unterschiedlich sind. Als günstig erwiesen hat sich eine Höhe zwischen 14 und 22 cm.

Fersensitz

Beim Fersensitz wird ein Sitzkissen zwischen Beine und Gesäß gelegt. Bei starken Dehnschmerzen im Spann kann dieser Bereich mit einer Decke gepolstert werden.

Sattelsitz

Ein Meditationsbänkchen oder ein senkrecht gestelltes Sitzkissen wird zwischen die Beine platziert.

Sitzen auf dem Stuhl

Nicht anlehnen, sondern frei, ohne Rückendeckung und Stütze, den Halt in sich selber finden.
Die Knie, wie grundsätzlich beim Sitzen, sollten tiefer als die Leisten und das Becken sein. Die Füße sind mit ihrer ganzen Fläche in Kontakt mit dem Boden.

Das Sitzen auf dem Sitzkissen

Diese Haltung ist zunächst nicht so leicht, sie kann in den Beinen schmerzen. Doch lohnt es sich die altbewährten Anweisungen zu befolgen: Das Sitzkissen sollte mit Kapok oder mit anderen natürlichen Produkten gefüllt sein. Nach jeder Übung sollte das Sitzkissen wieder in Form geklopft werden. Ein Sitzkissen, das einige Stunden in der Sonne oder an der frischen Luft lüftet, ist ein besonderer Genuss beim Sitzen.

  1. Geeignet ist vor allem das aufrechte Sitzen auf dem Sitzkissen im vereinfachten Lotus-Sitz. Dabei werden die Beine gekreuzt. Der eine Fuß liegt auf der Wade oder auf dem Oberschenkel des anderen Beines.
  2. Erspüre die innige Berührung mit dem Boden, erspüre die Sitzfläche und deine Sitzknochen. Erspüre: dein Becken ist eine tiefe und weite Schale in der Es atmet. Sitze so als wärst du eine Pyramide, nach unten schwer und breit, nach oben hin schlank und leicht.
  3. Immer wieder deine Sitzknochen erspüren in inniger Berührung mit der Unterlage. Dein Rücken ist aufgerichtet, dein Nacken leicht gestreckt mit der Vorstellung, das die Wirbelsäule senkrecht durch den Nacken nach oben zum Schädeldach reicht.
  4. Immer wieder beim Sitzen in der Stille die Aufrechte in der Wirbelsäule herstellen. Sie gibt deinem Rumpf und deiner Befindlichkeit Halt. So entwickelt sich in dir, das Leibbewusst-Sein in guter wacher Spannung. Deine Atmung kann fließen: ganz von selbst, ganz von selbst.
  5. In der Haltung dieses kultischen Sitzens erlebst du dich in Würde, aufrecht vom Steißbein bis zum Schädeldach. Dieser aus deiner Leibmitte nun gut ausbalancierte Aufbau des Oberleibes ermöglicht dir bald überall im LeibKörper: Ruhe, Entspannung, Gelassenheit und Stille.
  6. Nicht selten entsteht schon hier diese besondere Weise dir im Selbst frei, offen und liebend zu begegnen. Ins Inne-Sein kommt allmählich das Erleben nun überall geschützt und aufgehoben zu sein.

Was ist, ist und das IST ist heilig. Zen

Der Atem

Durch die regelmäßige Verlagerung deines Atems in den Unterbauch erwächst in dir intuitives Wissen und die Annäherung an dein tiefes Wesen. Es führt dich in tiefe, komplexe, personale und transpersonale Erkenntnisse und Einsichten. Dem Kopf ist der Zugang dahin verwehrt. Ich empfehle dir während des Ausatems, bewährte Atemformeln inwendig zu sprechen und sie auch zu erfahren. Wenn die Atemformeln beim Sitzen in der Stille ihren Sinn erfüllt haben, dich in die Stille zu führen, lösen sie sich langsam auf bis zu einem feinen Widerhall. Dieser wird ins pralle Nichts verschwinden. Und von dort kommt die gute Stille herein und bald erfüllt sie dich ganz. Du bist gesammelt und ganz anders da, vielleicht schon erfüllt vom anderen Da-Sein. Es wandelt dich zu deinem inneren Wesen hin und erneuert dich aus ihm.

Folgende Atemformeln haben sich bewährt:
  1. Mit meinem Ausatem lasse ich mich hinunter, tief hinunter / mein Ausatem fließt einwärts und abwärts, einwärts und abwärts… / In meiner Beckenschale bin ich in Sicherheit / Ich bin überall angenehm entspannt / Lassen, lassen, lassen, loslassen, loslassen, loslassen / Ich bin in Sicherheit, ich bin in Sicherheit…
  2. Das Zählen deines Ausatem beruhigt deinen Kopf und dein Gemüt. Langsam und ruhig strömt der Ausatem einwärts und abwärts. Dabei langsam, langsam den nach unten strömenden Ausatem zählen. Nun: inwendig EINS zählen. Den Einatem nicht beachten, er kümmert sich um sich selbst. Beim zweiten Ausatem langsam und inwendig ZWEI zählen und so weiter bis zum zehnten Ausatem. Nach dem zehnten Ausatem wieder mit EINS beginnen. Nach einer Weile gibt der Kopf seinen Anspruch auf Einmischung und Vorherrschaft spürbar ab. Er tritt, da entwichtigt, zurück. An seiner Stelle erscheint allmählich Stille.
  3. Mit jedem Ausatem in den Schultern immer noch ein wenig mehr loslassen, nach unten, zum Unterbauch und Becken hin. Entspanne deinen Bauch und Unterbauch damit die Unterbauchmuskeln deinem Atemrhythmus elastisch nachgeben können. Begleite deine Atembewegung stets aufmerksam. Dein Ausatem strömt von oben nach unten: einwärts und abwärts.
  4. Schaue mit deinen inneren Augen wie der Ausatem tief hinunter in den Beckenboden sinkt. Der Einatem kommt von dort wieder zurück, ganz von Selbst.
  5. Während deines Sitzens in der Stille, doch auch tagsüber bei Handlungen des Alltags, immer wieder wahrnehmen: der Ausatem strömt einwärts und abwärts in die Tiefe des Beckengrundes. Nach einer Weile des Übens mit dem Ausatem, etwa nach einer Woche, wendest du dich auch dem Einatem zu. Eine mögliche Atemformel könnte sein: Mein Ausatem führt mich tief hinunter, mein Einatem richtet mich wieder auf.
  6. Entspannt und voller Offenheit und Vertrauen abwarten, dass der Einatem aus der Tiefe des Beckengrundes ganz von selbst wieder zurückkommt. Sich dem Kommen und Gehen des Atems hingeben: Mein Atem kommt und geht, kommt und geht, ganz von selbst.
  7. Deine Hände liegen im Schoß. Die linke Hand liegt in der geöffneten rechten. Die Daumenkuppen berühren sich leicht und zart. Diese Haltung hilft, die gute Grundspannung zu bewahren. Deine Daumen bilden eine waagerechte Linie. Sie sollten nie ein Tal noch einen Berg bilden, auch nicht bei zeitlich ausgedehnten Meditationen, lehrte mich ein Zen-Meister. Dieser Rat ist nicht zu unterschätzen.
  8. Deine Augen sollten beim Sitzen in der Stille ein wenig geöffnet sein. Sie richten sich auf einen Punkt auf dem Boden, etwa zwei bis drei Meter entfernt. Sie schauen auf einen Haltepunkt: z. B: ein kleiner Stein, eine Glaskugel, eine Muschel…
    Die Augen offen halten ist zu Beginn dieser Schulung möglicherweise schwierig. Der Sinn liegt darin, sich beim Sitzen in der Stille nicht gegen die Umwelt abzuschließen. Im Idealfall lernst du allmählich im innen und außen, in dieser und in jener Welt gleichzeitig zu Sein. Ist dein Bedürfnis die Augen zu schließen stimmiger, solltest du ihm folgen.
  9. Erlebe dich beim Sitzen in der Stille immer wieder im ganzen LeibKörper, erlebe dich immer wieder neu aufrecht und hellwach. Hüte dich davor zu dösen und den Kontakt zu deinem LeibKörper zu verlieren.
  10. Übe die Unbeweglichkeit beim Sitzen in der Stille
    Das meint, das du nicht jedem Drang dich kratzen, dehnen und strecken zu müssen, nachzugeben. Nach anfänglicher Durststrecke lernst du auftretende Schmerzen die durch die Sitzhaltung entstehen können, innere Unruhe, streunende Gedanken, mannigfaltige Ablenkungen und andere Störungen anzunehmen und auf die Stille bezogen zu bleiben. So wird dein Sitzen in der Stille allmählich zur Meditation.
  11. Während des Sitzens erspüre in dir den inneren Aufbau deines Knochengerüstes und seine gute, stabile, tragende Kraft. Erlebe dich von deinem Skelett, sie ist deine innere Struktur, gestützt und ausbalanciert. Je mehr du es in die Wahrnehmung bekommst, um so mehr gelingt das so wichtige Loslassen von Fehlhaltungen im Muskelkörper.
  12. Zu Beginn dieses Übungs-Weges solltest du nicht länger als zehn Minuten das Sitzen in der Stille üben. Später sind längere Zeiteinheiten möglich und vorteilhaft.

Atemformeln sollten auch tagsüber immer wieder geübt und ihre Wirkung wahrgenommen werden.

  • Deine Zunge schwebt gelöst im Mundraum. Oder die Zungenspitze berührt sanft die obere Zahnreihe.

Achtung

Achte darauf, dass du beim Üben nicht ins Drauflos-Phantasieren gerätst, sondern dass du hellwach und aufmerksam bleibst. Das Sitzen in der Stille darf nie missbraucht werden um in den Zustand von Auflösung zu geraten um dich zu vergessen, oder um anzustreben aus deinem Körper heraus zu gehen oder um deinen Körper nicht mehr zu spüren. Solche Bestrebungen führen in die gefährliche Sackgasse negativer Transzendenz. Grundsätzlich geht es beim Sitzen in der Stille stets um innere Sammlung und Inkarnation durch die hellwache Präsenz im Leib der ich bin (Graf Dürckheim).

  • Entstehen während des Sitzens in der Stille Tagträume, kannst du sie mit mir, in einer Einzelstunde, besprechen damit sich dir ihr Sinn entschlüsselt.

Diese Übungen führen mich zur Integration meines eigenen individuellen Wesens mit dem Wesen der Welt. Diesen wunderbaren Satz formulierte, nach einigen Übungsstunden, kürzlich ein Klient von mir.

Hintergründe

Die Einleitung zu diesen Übungen findest du in meinem Blogbeitrag: Hara

 Gutes Üben

Wenn du magst schreibe mir deine Erfahrungen mit dem Sitzen in der Stille.

Bis bald und mit herzlichem Gruß.
Wolfgang.